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Beat Jans mag den Blues, macht aber nicht blau
BaZ-Artikel vom 22.06.2024: Text und Bild von Markus Wüest
Blues-Konzert in Basel mit Mike Zito und Sugaray Rayford: Im Rahmen der «Groove Now Blues Weeks» trat eine All-Star-Band auf, die es genoss, in ungewohnter Besetzung zu spielen. Der Basler Bundesrat war vor Ort.
Blau machen bedeutet, sich einen freien Tag oder ein paar freie Stunden zu gönnen. Das geht, so heisst es, aufs Färben von Stoffen zurück. Weil Blau länger einziehen musste, legte man die Stoffe schon am Sonntag ins Farbbad. Man machte also Blau am Sonntag. Wechseln wir die Sprache. Von Deutsch zu Englisch. «To feel blue» bedeutet, niedergeschlagen sein, deprimiert.
Und nun vergessen wir sofort diesen an die Sprachwissenschaft angelehnten pseudointellektuellen Einstieg und kommen zum Blues, der am Freitagabend im Rahmen von Groove Now im Basler Atlantis – im Volksmund nur «tis» genannt – gespielt wurde. Da hat niemand geschwänzt und freigemacht – auch nicht Bundesrat Beat Jans, der sich so einen tollen Freitagabend bei guter Musik bestimmt redlich verdient hat – und es fühlte sich auch garantiert niemand unter den Anwesenden deprimiert, niedergeschlagen oder unglücklich.
Bringen wir die Sache also auf den Punkt: Was die speziell für dieses Konzert von Veranstalter Patrick Kaiser zusammengestellte Formation – «The Blues Giants» – zu bieten hatte, war grossartig. Durchsetzt mit ein paar Kabbeleien auf der Bühne zwischen dem Saxofonisten Jimmy Carpenter, den beiden Gitarristen Mike Zito und Albert Castiglia sowie dem Sänger Sugaray Rayford rund um das wiederkehrende Thema, wer von ihnen zu welchem Musiklabel gehört, wurde fast zwei Stunden ein Set geboten, das alles in sich hatte: Chicago Blues, Slow Blues, Funk, Rhythm and Blues.
Die Bemerkung zum Körperbau
Mag sein, dass der begnadete Sänger Rayford ein bisschen zu kurz kam, aber der Hüne mit dem nicht ganz schlanken Körperbau – darf man das benennen? – grämte sich nicht, schwitzte wie ein Bär, genoss es sichtlich und bewies ein fürs andere Mal, dass auch grosse Männer mit mächtiger Leibesfülle ihren Hintern – darf man das sagen? – schwenken können, als gäbe es kein Tomorrow.
Und gegen Schluss, bei der ersten Zugabe, forderte Sugaray Rayford doch tatsächlich sämtliche immer noch sitzenden Zuschauer und Zuschauerinnen auf, ihre «booties» and «titties» zu schwingen. Da konnte man bloss froh sein, war niemand von der Kulturabteilung Basel-Stadt zugegen, denn diese beiden Wörter auf Deutsch übersetzt – und es gäbe womöglich keine weitere Unterstützung durch den Swisslos-Fonds. Um dem vorzuschützen, fällt deshalb hier die Übersetzung weg.
Nun gut, der Ex-Vorsteher des Präsidialdepartements, der in Begleitung seiner Frau Tracy längst stand und nicht extra aufgefordert werden musste, würde es möglicherweise richten.
Der Blues, der direkte Weg ins Tal der Tränen? Von wegen. Sugaray Rayford versprühte Sex-Appeal und Humor, Albert Castiglia pure Spielfreude, der 78-jährige Bassist Jerry Jemmott, der schon für King Curtis an den dicken Saiten zupfte, Souveränität und Altersweisheit. Und der Mann am Schlagzeug – Jimi Bott – Ruhe und Perfektion.
Und was ist mit Mike Zito? Er ist Witwer, hat aber wieder eine neue Beziehung. Und die Frau, die sein Herz erobert hat, sass am Freitagabend im «tis» ganz vorne am Bühnenrand. Wie er für sie spielte – herzerwärmend. Wenn es hier mehr Platz gäbe, könnte man die Liebesgeschichte der beiden erzählen, doch lassen wir das.
Immer mit Gefühl
Und wechseln zum Thema Gefühl. Blues muss nun wirklich nicht Depro sein. Aber mit Gefühl gespielt werden. So schön es zu beobachten war, wie Mike Zito für seine Jackie spielte, so rührend war das, was Sugaray Rayford über seine Frau erzählte. Sie habe vor ein paar Jahren die Diagnose Krebs erhalten. Er habe an ihrem Krankenbett gestanden und ihr gesagt, dann lasse er das mit der Musik und wolle nur noch für sie da sein. «You’re in too deep» habe sie ihm geantwortet. «Da steckst du viel zu tief drin.»
Daraus wurde ein Song. Womit selbstverständlich alles andere, was hier über den Blues zu lesen war, ersatzlos gestrichen werden kann. Oder mindestens revidiert werden muss: Er entsteht vorwiegend aus den dunklen, schweren Gedanken – aber er führt, richtig dargebracht, zu Begeisterung und Freude.
Noch eine Bemerkung zu Sitten und Unsitten. Da steckt sich doch der Sugaray zum Ende hin eine fette Zigarre zwischen die Lippen – und niemand gibt ihm Feuer. Ist das nun unanständig oder völlig korrekt?